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Die Kinderliebe

Wie aus dem nichts. Rosa, ein Lichtblick

In meinem Leben bin ich vielen Menschen begegnet und habe auch einige Frauen kennen gelernt. Wenn sie von ihrer ersten Liebe und ihrem ersten Kuss erzählten, also wenn sie ihn überhaupt erwähnt haben, dann war das nicht bei allen ein schönes Erlebnis. Mancher erster Kuss, war von einer wilden Zunge begleitet und wurde vollkommen aufdringlich empfunden.

Das sagte die Eine oder Andere auch: „Mein Gott! Das war so schlabberig. Ich mochte das gar nicht”. Häufig klang es auch so: „Als  ich plötzlich seine Zunge spürte, hab ich mich total angeekelt gefühlt. Igitt was war das fies! Nein mein erster Kuss war nicht schön!”

Was war ich doch für ein Glückspilz. Ich habe das ganz anders erfahren.Überhaupt entwickle ich gerade eine Theorie über meine Lieben. Jede hatte eine Bedeutung in einem bestimmten Lebensabschnitt. Man sagt ja im Volksmund auch oft, als Bezeichnung für eine Partnerin bei der Vorstellung im Bekanntenkreis – Das ist meine Lebensabschnittsgefährtin.

Deshalb muss ich vor der ersten großen Liebe noch eine kleine Geschichte hinzufügen. Vielleicht haben am Ende, diese Erlebnisse und mein erster Kuss mit sechs, also die Kinderliebe, die erste große Liebe überhaupt erst möglich gemacht.

Also wenn ihr Lust habt folgt mir einfach ins nächste Kapitel. Die frühe Kindheit. Und vielleicht erinnern Euch meine Erlebnisse, auch an den einen oder anderen Augenblick in Eurer Jugend.

Damals wohnte ich in Wuppertal. Direkt am Bahngleis. Da wo damals noch Dampflokomotiven, direkt an unserem Haus vorbei, in die weite Welt fuhren. Für Kenner der Stadt mit der Schwebebahn, die heiß damals “Oberdenkmal Straße”, das ist die heutige Wittensteinstraße. Unsere Straße endete damals als  Sackgasse. Sie war mit groben dunkelen Pflastersteinen gepflastert und hatte schmale Bürgersteige, an denen sechsstöckige Miethäuser und Handwerksbetriebe standen. Die Wohnhäuser waren in der Nachkriegszeit erbaut. Im oberen Teil stand eine hoch herrschaftliche Villa aus dem 1900 Jahrhundert und zwischen den Wohnhäusern standen auch große Fabrikgebäude. Wuppertaler kennen sie, die aus roten Ziegeln gebauten, Band- und Textilwebereien, erbaut Ende des 1800 und zu Beginn des 1900 Jahrhunderts. In denen rotierten Tag und Nacht die Maschinen und wenn man vorbeiging hörte man immer ein leichtes gleichmäßiges donnern in den Wänden.

Am Ende der Straße stand als Grenze quer eine  bröckelige Ziegelsteinmauer. Das war wohl die ehemalige Grundmauer, eines im Krieg zerstörten Hauses oder einer Fabrik. Erkennen konnte man das nicht  mehr genau. Dahinter lag ein Schlaraffenland für Kinder. Ein wildes überwuchertes Gelände.

In vielen Städten gab es damals Ruinen und leer  stehende Grundstücke. Die waren von wilden Pflanzen, teilweise mit Brombeerbüschen, Birken und bei uns vor allem, von Riesenknöterich  überwuchert.

Aus dessen Stengeln, konnte man sich die besten Blasrohre der Welt bauen. Die wurden dann mit den kleinen weißen Schneebeeren, des nebenan wachsenden Knallerbsenfstrauches, eine herrliche Waffe für das  “Cowboy und Indianer” Spiel. Mann konnte in diesem Dschungel sehr gut verstecken spielen. Das war Abenteuerland.

 

 

Schwarze Haare, braune Augen, Rosa hieß meine Flamme

 

Ein Jahr nach meiner Geburt, also 1955 wurden die ersten Gastarbeiter Abkommen getroffen. Zuerst mit Italien, später als ich sechs wurde, mit Griechenland und Spanien. Unsere Straße bekam durch die Gastarbeiter die nach Deutschland kamen, sehr viel neues Leben, denn viele brachten ihre Kinder mit.

In das Haus gegenüber zog 1959 im Spätsommer  eine italienische Familie mit ihrer kleinen Tochter ein. Rosa war ein ausgesprochener Lichtblick in unseren doch recht dunklen Sackgasse.  Dunkle schwarze Haare, geflochten zu zwei langen Zöpfen, umrahmten ein feines leicht braun gebranntes Gesicht, mit unglaublich tief braunen fast schwarzen Augen. An der rechten Wange gab es ein verschmitztes Grübchen und wenn sie lachte, sah sie zum verlieben schön aus. Rosa war ein richtiger Tausendsasa. Von unserer Küche aus, konnte ich auf ihr Wohnzimmer gegenüber schauen.

Der Junge mit dem Kinderwagen

Und wir kamen sehr schnell zusammen, denn ich war stolzer Besitzer eines  Kinderwagen, mit dem ich stolz wie Oskar eine schwarzen Puppe durch die Straße fuhr. Die Jungen in der Nachbarschaft riefen immer: „Iiiih da kommt er wieder mit seiner Negerpuppe”  Ja jetzt grämt euch nicht, aber das hieß eben damals so.

 

So stand ich eines frühen Nachmittags am Fenster. Da tauchte sie zum ersten Mal vor der Haustür auf. Ein weißes Kleidchen mit einem Blümchen-muster. Kaum hatte ich Rosa vor der Tür entdeckt , hatte ich das Gefühl mich einmal ordentlich in Szene setzen zu müssen. Mühsam schleppte ich mein Gefährt die zwei Etagen hinab und ging auf meiner Bürgersteigseite ein Stück auf und ab.

Und ich war erfolgreich mit dem ersten Anlauf. Sie blickte zu mir herüber und kam dann von einem auf das andere Bein hüpfend zu mir. Keineswegs  schüchtern, griff sie mit einer Hand  in den offenen Sportwagen und zog die Decke, die von den Beinen der Puppe gerutscht war und richtete sie ordentlich aus.  Rosa mochte meine Puppe sofort. Das spürte ich und  das verband uns natürlich sofort. Sie hatte zwar keine Puppe, aber das war mir egal. Hauptsache sie war ein Mädchen, denn Brüder hatte ich genug.

Also haben wir uns meine schwarze Puppe, mit dem roten Feuermund und dem hellblauen Strampler, es war ein Junge, logisch, in der nächsten Zeit  erst einmal geteilt. Manchmal brachte sie einen arg malträtierten Teddy mit. Später wurde sie dann aber auch Puppenmutter und zwar mit einem geschlossenen Babywagen. Beige aus Korbgeflecht. Ein schickes Teil.

Rosa war ein kleiner Wildfang

Sie ging eigentlich nie, sondern hüpfte ständig von einem Bein auf das andere. Beim Seilhüpfen war sie Weltklasse. Sie konnte wieselflink laufen. Stundenlang. Beim kriegen spielen, war sie eigentlich nicht zu erwischen und immer den Tick schneller als wir Jungens. Am Ende war jeder glücklich und außer Atem, wenn er sie dann mal erwischt hat. Und sie hatte diesen ganz besonderen Glanz und ein unglaubliches triumphales Feuer in den Augen, das Mädchen an den Tag legen, wenn sie sich den Jungen ebenbürtig fühlen. Mit den anderen Jungen wollte ich Rosa eigentlich nicht teilen. Sie war ja auch meine Entdeckung.

 

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